OLDENBURGER ZUKUNFTSTAGE > 2016
Zum Thema „wir“
Eine Betrachtung von Petra Keup aus dem Vorbereitungsteam
Ein Bild sagt oft mehr als tausend Worte und doch kann es sein, dass man – wenn man das Bild in Worte setzt – noch mehr entdecken kann als beim ersten Anblick.
Vogelschwärme umkreisen im Jahreslauf unsere Erde und legen dabei tausende Kilometer zurück. Der eine Schwarm fliegt über die Wüste, der andere überquert die höchsten Berge der Erde. Manche fliegen über unsere Ozeane und andere durchqueren alle Klimazonen, mit Temperaturen von vielleicht minus 40 bis plus 40 Grad Celsius.
Jeder Schwarm für sich ist eine soziale Gemeinschaft. Mal ist der eine Vogel Anführer, mal der andere – mal ruht sich der eine Vogel im Windschatten des anderen aus, mal der andere. Es gibt keine Herrschaft, kein Machtgerangel auf dem Flug, weil sonst keiner an das Ziel kommen würde, das alle antreibt.
Und doch sind die verschiedenen Schwärme, die unsere Erde umkreisen, so verschieden, dass der eine nicht mit dem anderen gemeinsam fliegen könnte. Allen gemeinsam ist, dass sie auf ihren unterschiedlichen Wegen durch ihre Anwesenheit unsere Erde immer wieder bereichern. Sie beleben selbst Gegenden, die zu den lebensfeindlichsten auf diesem Planeten gehören. Was aber besonders wichtig ist: Vögel bleiben nicht stehen, sie machen sich immer wieder neu auf den Weg.
Was können wir von den Vögeln lernen?
Müssen wir alle gleichgeschaltet sein um eine Menschheit zu sein? Nein!
Muss jede Gruppe, jede Gemeinschaft in jede andere integriert werden können, um für alle Gutes zu erreichen? Nein!
Sind Gruppen, die einem einzigen Machtführer hinterher rennen und alles tun, was dieser verlangt, wirklich eine Gemeinschaft? Nein, denn sie sind nichts weiter als Hinterherläufer, ohne eigenes Ziel, sondern mit aufgezwungenen Zielen – oft durch Angst, die gezielt geschürt worden ist. So können sie nie Gutes erreichen!
Ja, lernen WIR doch von den Vögeln:
Wechseln WIR uns in der Verantwortung für alle ab!
Lassen WIR uns auch mal im Windschatten der anderen tragen!
Lassen WIR andere Gruppen ihren Weg gehen und gehen wir in unserer Gruppe unseren Weg.
Hat der Mensch den Vögeln gegenüber einen erheblichen Vorteil?
WIR könne vielfach wählen, in welcher Gruppe oder in welchen Gruppen wir leben und uns zum Wohle aller engagieren wollen.
WIR können in verschiedenen Gruppen, an unterschiedlichsten Orten lernen und es steht uns frei, das Gelernte an andere Gruppen weiterzugeben.
Und wenn WIR dann soweit sind, ist jeder von uns irgendwann ein
Gesang
Was aber an den Vögeln noch bemerkenswert ist: wir bezeichnen ihre Sprache oft als Gesang und setzen sie so mit dem Musikalischen in Verbindung. Im Gesang, im Musikalischen finden wir Menschen etwas, das dieses ICH im WIR jetzt schon voll zur Entfaltung bringen kann.
Ich möchte hier einmal Joachim-Ernst Behrend zitieren:
„Chöre sind ein Gesellschaftsentwurf. Deshalb faszinieren sie. Sie realisieren, wonach Menschen seit Jahrtausenden suchen: die ideale Gesellschaft – eine ‚Minigesellschaft’ im Dienste der Harmonie – jedes Mitglied hörbar mit eigener Stimme, durchaus auch der Disharmonie begegnend, nicht vor ihr zurückschreckend, sie artikulierend und in Harmonie verwandelnd, auf ihr bestehend – eine Gesellschaft, die vielfältig in Gruppen und Untergruppen gegliedert ist – vier-, sechs-, acht-, und noch-mehr-stimmig, Soprane, Mezzos, Alts, Tenöre, Baritons, Bassbaritons, Bässe -, jede mit eigenem Recht, gleichwohl dem Werk und dem Ganzen dienend, das in Freiheit gewählt werden kann, unter einem Leiter, der immer wieder neu hinterfragt und überprüft wird und jederzeit wieder verlassen werden kann“ (Joachim-Ernst-Berendt, Stimmen! Stimmen! Der riesige Ruf, JARO Medien GmbH, Booklet der CD).
Ersetzen Sie einmal den Begriff Chöre durch das Wort Kollegien, Schulen oder Unternehmen…
…und die verschiedenen Stimmen durch Berufe, Fähigkeiten, Tätigkeiten etc. – und schon weiß jeder, wie man auf gute Art und Weise miteinander tätig werden kann und wohin sich der Wandel in der Gesellschaft vollziehen muss.
Lernen wir doch für die Bewältigung all unserer Probleme etwas von der Musik. Musik, die zwischen Harmonie und Disharmonie ihre belebende Kunst entfaltet, die sich zwischen beiden hin und her bewegt – dieses entfaltet, jenes wieder auflöst. Musik, die es versteht, Gegensätze wie Hoch - Tief, Laut - Leise, Schnell - Langsam, zu einem weltweit zu verstehenden Kunstwerk zu vereinen. Und vom Gesang, der in jeder Kultur und Sprache Lieder erschaffen kann, die in aller Welt verstanden werden, so dass Europäer mit Freude afrikanische Lieder singen und Japaner mit Begeisterung „Freude schöner Götterfunken“.
Unsere Stimme, die WIR erheben können, sie ist in so vielen Wörtern enthalten, die wir mit der Stimme gar nicht mehr in Zusammenhang bringen: etwas stimmt, es ist stimmig, unsere Stimmung ist gut oder schlecht, jemand ist verstimmt, hier stimmt etwas ganz und gar nicht oder ein Ergebnis stimmt. Wir bewegen uns hier auf dem Gebiet des sozialen Miteinander, denn all diese „Stimm“-Wörter beziehen sich auf das Miteinander zwischen Menschen, auf ihre Beziehungen zueinander.
Menschen brauchen einander, brauchen Gemeinschaft und Beziehungen, um ihr Leben mit Sinn zu füllen. Sie brauchen Achtung und Verständnis. Vereinsamung und Missachtung führen unausweichlich zu Verstimmung, zu Sinnlosigkeit und Depression. Vereinsamung und Depression, davon haben wir in unserer Kultur trotz oder vielleicht wegen unserer Wohlstandsillusionen viel zu viel. Wir werden in unserer Kultur viel zu stark von einem ungesunden Leistungsdruck und der Missachtung unserer individuellen Besonderheiten geprägt. Überall sollen wir als so genanntes ‚Humankapital’ nur noch einer Gewinn maximierenden Norm entsprechen.
Folge davon ist, dass die Angst uns im Griff hat. Folge davon ist, dass schon von Kindesbeinen an emotionaler Mangel kultiviert wird, der soziale Kompetenz behindert. Emotionale Verarmung führt dann unweigerlich zu Gier, Geiz, Machtkampf, Geltungssucht, Mobbing, Misstrauen, Zukunftsängsten, einer negativen Lebenseinstellung, zu einer Spaltung und letztendlich zum Zusammenbruch der Gemeinschaft beziehungsweise der Gesellschaft.
Doch wir tragen als Menschen alles in uns, was wir brauchen um voranzukommen und unsere Ziele zu erreichen. Wenden wir die Gesetze der Musik auf unser Leben in der Gemeinschaft an und lernen wir von den Vögelen. Wenn WIR uns auf diese Weise erheben, können WIR die ganze Welt erreichen und bereichern.
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