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Das Globe und seine Geschichte – Warum die Briten 1954 in Oldenburg ein Theater bauten

Von Andreas Büttner, Okotber 2017

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Mit unserer Sendung „Rette das Globe“ haben wir – das Team von Werkstatt Zukunft – uns für die Kulturgenossenschaft Globe eingesetzt, die das denkmalgeschützte, ehemals britische (Film-)Theater erhalten und zu einem neuen Ort für Kultur ausbauen will. Es ist das letzte seiner Art auf deutschem Boden | Themenseite Sendung


Übersicht - Links zu den einzelnen Kapiteln

Vorbemerkung: Das Globe und die Nachkriegsgeschichte Oldenburgs
Das Truppenkino: Bildung, Unterhaltung, Propaganda
Ein Beispiel: AKC-Rückblick auf das Jahr 1952
Anfrage im Parlament in London: Werden auch genügend britische Filme gezeigt?

Die Mission: Aufbau von Demokratie und Kultur nach 1945
Vorausschauende Planung oder glücklicher Zufall: Oldenburg bleibt unzerstört
Kanadische Quellen zum Kriegsende in Oldenburg

Vorbemerkung: Das Globe und die Nachkriegsgeschichte Oldenburgs

In diesem Beitrag gehe ich der Geschichte des Globe in Oldenburg nach, die eng mit der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte der Stadt zusammenhängt: Die alte Landes- und zeitweilige Nazi-Gauhauptstadt blieb von größeren Zerstörungen verschont.

Manch glückliche Zufälle mögen dazu beigetragen haben – ein wesentlicher Aspekt war jedoch, dass die Briten langfristig für die Nachkriegszeit geplant haben. Sie richteten sich früh auf eine längere Besatzungszeit ein und brauchten für ihre Truppen die weitgehend intakte Infrastruktur der Stadt mit ihren vielen Kasernen, für die Air Force den Fliegerhorst und für die Navy die Häfen in der Region.

In diesem Zusammenhang wird der Bau eines großen, gut ausgestatteten Theaters in den britischen „Crerar Barracks“ – der späteren Donnerschweekaserne – verständlich. Da kanadische Truppen Oldenburg befreit haben, waren hierfür die Unterlagen der Nationalbibliothek Kanadas (Library and Archives Canada) besonders hilfreich.

Das Globe steht unter Denkmalschutz – diskutiert wird über die nationale Bedeutung aus kulturhistorischer Sicht. Das Landesamt für Denkmalpflege widmet dem Gebäude einen Eintrag auf seinem Blog | Blog Landesamt für Denkmalpflege

Das Truppenkino: Bildung, Unterhaltung, Propaganda

Für das Globe in Oldenburg wie für alle Kinos der britischen Landstreitkräfte in Deutschland (BAOR – British Army of the Rhine), aber auch in Großbritannien selbst und an allen übrigen Standorten weltweit, war in den Jahren nach dem Weltkrieg die “Army Kinema Corporation“ zuständig.

Schulungsfilme – etwa zu Waffensystemen und zur Offiziersausbildung aber auch zu medizinischer Versorgung oder Autofahren in Deutschland – wurden selber produziert, Information und Propaganda, insbesondere gegen kommunistische Gegner, in Nachrichtenfilmen vermittelt als es noch kein Fernsehen gab – ein Beispiel dafür von 1952 folgt unten. Ansonsten wurden Spielfilme gezeigt, die nicht nur aus britischer Produktion stammten und neben den Soldaten auch ihre Angehörigen unterhalten sollten.

Die britischen Militärstandorte waren eine streng nach außen abgeschirmte Welt, mit eigenen Läden, Schulen und Kulturprogramm. Bezahlt wurde in britischer Währung, Eintrittskarten für Kinder waren bei entsprechenden Filmen billiger als für Erwachsene.

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Die meisten Filmtheater der Armee hießen nach Shakespeares Londoner Theater „Globe“ (Foto des historischen Theaters in London | Tohma, GFDL) und knüpften damit an die englische kulturelle Tradition an. Die Royal Air Force, die etwa den Fliegerhorst in Oldenburg gleich nach der Kapitulation der Wehrmacht wieder in Betrieb genommen hatte, unterhielt ihre eigenen Kinos, die „Astra“ hießen. Wenn Boten die Filme montags und donnerstags zwischen den rund 50 AKC-Standorten in Norddeutschland hin- und hertransportierten, hieß das nicht, dass der Fliegerhorst mitversorgt wurde: Die Air Force hatte ihr eigenes Kinoprogramm.

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Die für die AKC tätigen Soldaten hatten eigene Schulterstücke, Autos in besonderer Farbe und mit entsprechender Aufschrift sowie das unbegrenzte Recht, alle Stützpunkte zu betreten.

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Die Leitung der AKC hatte Offiziersrang und wurde im Bedarfsfall im Offizierscasino untergebracht und verpflegt. In Donnerschwee ist in diesem Gebäude heute das Internationale Jugendprojektehaus des Vereins Jugendkulturarbeit e.V. untergebracht, in dem wir unsere Sendung aufgezeichnet haben.

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Nebenan wird das ehemalige Unteroffiziersheim gerade zu Wohnungen aus- und umgebaut. Hier wurden die übrigen Mitarbeiter, Kuriere und Filmvorführer, untergebracht. Außerdem gab es, jedenfalls in späteren Jahren, auch deutsche zivile Mitarbeiter.

Während des Krieges hieß die Vorgängerorganisation Army Kinematograph Service. Im Schnellverfahren wurden Filme produziert, außerhalb Großbritannien waren die Projektoren oft auf Lastwagen montiert – mobiles Kino eben. 1965 wurden die getrennten Dienste von Armee und Air Force zusammengelegt und 1982 als SSVC (Services Sound and Vision Corporation) neu organisiert. Diese Organisation ist bis heute (2017) für Rundfunk- und TV-Programme für alle Teilstreitkräfte zuständig und betreut die 14 verbliebenen Kinos in Großbritannien (8), auf Zypern (3), eines auf den Falklandinseln und zwei in Deutschland: In Gütersloh und Paderborn | Aktuelles Kinoprogramm und kurzer Abriss der Geschichte

Quellen:
– Army Kinematograph Service (Wikipedia, engl.) mit Verweisen auf The National Archives of the UK (TNA) und Imperial War Museum | Link
– J. P. O`Meara, ab 1958 Soldat bei AKC, berichtet von seinerzeit 48 Globe und 12 Astra Cinemas in Deutschland, allerdings ohne Oldenburg, da unmittelbar nach Übergabe der Donnerschweekaserne an die Bundeswehr | Link
– AKC Globe Cinema Hameln – Mit Kinoprogramm für Dezember 1949 | Link
– Dokument: Film zur Offiziersausbildung (August 1944): “… so gentleman, you must think of your men as individuals” (1:52 min.) – Länge ca. 44 Minuten (engl.) | Link

Ein Beispiel: AKC-Rückblick auf das Jahr 1952

Unsere Sendung haben wir mit eine Zitat aus dem Jahresrückblick 1952 (veröffentlicht am 1.12.1952) der AKC begonnen und auch abgeschlossen. In rund 10 Minuten vermittelt der Film einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse – aus Sicht der Armee. Heldenhafte brtische Soldaten in Malaysia und Korea, die erste britische Atombombe wird in gewaltigen Bildern verherrlicht, die Nation trauert um den verstorbenen König, Elisabeth II. tritt an die Stelle ihres Vaters: Eine stolze Armee dient ihr – “Long live the Queen“.

Als sich Nicola von der Globe-Initiative die Queen zur Wiedereröffnung nach Oldenburg wünschte, wusste sie noch nicht, dass dieser Beitrag das Ende der Sendung bilden würde. Immerhin ist der Wunsch des damaligen Kommentators, dass der Königin ein langes Leben beschieden sein möge, in Erfüllung gegangen. Ob sie kommen wird? Alte Filmaufnahmen zeigen, dass in den 50er-Jahren immerhin Prinz Philipp und in einem anderen Jahr Prinzessin Margret, die Schwester der Königin, in Oldenburg waren – allerdings bei der Royal Air Force auf dem Fliegerhorst.

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AKC-Jahresrückblick 1952
Ein typisches Beispiel für die in den 50er-Jahren im Auftrag der britischen Armee produzierten Filme. Ergänzend zu den Zitaten in der Sendung verlinken wir hier den ganzen Film (ca. 10 Minuten). AKC: “Cinemas for The British Army everywhere“ | Video

Anfrage im Parlament in London: Werden auch genügend britische Filme gezeigt?

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Auch das Unterhaus in London hat sich mit dem Programmangebot für die Soldaten und ihre Angehörigen beschäftigt. Ausweislich des Offiziellen Protokolls von 1955 („Im dritten Jahr der Regierung Ihrer Majestät Königin Elizabeth II“) hat der Abgeordnete Swingler den Kriegsminster nach dem Anteil der britischen Filme im Angebot der Globe-Kinos weltweit gefragt.

Ob die Antwort, 40% der Filme stammten aus britischer Produktion, den Abgeordneten befriedigt hat, ist nicht überliefert.

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Die Mission: Aufbau von Demokratie und Kultur nach 1945

Das Ende des Krieges brachte 1945 die Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht nur für die besetzten Gebiete, sondern auch für Deutschland. Für die Befreiung des niederländisch-ostfriesischen-oldenburgischen Raumes war die 1. Kanadische Armee in Verbindung mit der 2. Britischen Armee zuständig. Die Stadt Oldenburg wurde kanadischen Truppen kampflos übergeben, was sie vor Zerstörung in der Endphase des Krieges bewahrte. Nach einigen Monaten wurden die kanadischen Soldaten in Oldenburg durch britische abgelöst.

Das Land Oldenburg gehörte wie ganz Nordwestdeutschland zur Britischen Zone, die durch eine Militärregierung verwaltet wurde. Seit Ende 1942 hatten sich Offiziere der britischen und anderer Commonwealth-Armeen in besonderen Fortbildungskursen in England auf diese Aufgabe vorbereitet: Sie kamen mit der Mission, Demokratie und Kultur nach Deutschland zurückzubringen.

Vgl. C.P. Stacey, The Victory Campaign, The Operations in North-West Europe 1944-1945, Official History of the Canadian Army in the Second World War, Volume III, Published by Authority of the Minister of National Defence, Ottawa 1960, S. 638

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Zunächst stand neben der Sorge für die eigenen Soldaten die Not der Zivilbevölkerung im Vordergrund: Die Versorgung mit dem Notwendigsten, die die Kriegswirtschaft zu Lasten der eigenen Bevölkerung vernachlässigt hatte, musste organisiert werden. Oldenburg mit damals 80.000 Einwohnern nahm 40.000 Flüchtlinge auf. Das Leben musste neu geordnet werden – ohne die Nazi-Eliten, die für Krieg und Unterdrückung verantwortlich waren.

Foto: Standortkommandant General Behrend in kanadischem Gewahrsam, BA 12633, Quelle: Stadtmuseum (Bildarchiv).

Ältere Oldenburgerinnen, damals Ballett-Tänzerinnen am Oldenburgischen Staatstheater, erzählten mir, das „die Briten“ das Theater sofort beschlagnahmt und dort kulturelle Veranstaltungen für ihre eigenen Leute organisiert hätten – die jungen, unbelasteten Tänzerinnen wurden auch von den Briten für einzelne Vorstellungen engagiert. Der Bau des Globe Theatre auf dem Kasernengelände in Donnerschwee 1954 gehört in diese Linie, auch wenn das Oldenburgische Staatstheater darauf nicht warten musste und sein Gebäude schon nach kurzer Zeit zurück erhielt.

Der kanadische Befehlshaber, General Crerar, schloss die Instruktion an seine Offiziere aus Anlass des Waffenstillstandes über den Umgang mit den eigenen Mannschaften mit den Worten: “This closing chapter in the history of the First Canadian Army in this World War will provide a different test to Commanders and leaders to those met and overcome, in operations, but a very definite test of character will certainly be encountered. It is up to each one of us to surmount it.” Dafür hatte er – nach eigenen Erfahrungen am Ende des ersten Weltkrieges – rechtzeitig ein spezielles Handbuch für seine Offiziere vorbereitet. Sport, Kultur und Bildung waren die wesentlichen Elemente (Stacey, S. 616).

Nach ihm hieß die vormalige Flakkaserne in Donnerschwee (bis 1936 Hindenburg-Kaserne) unter den Briten dann auch „Crerar Barracks“. Das Globe diente zunächst britischen Soldaten und ihren Angehörigen zur Bildung und Unterhaltung, von 1958 bis 1993 dann Soldaten der Bundeswehr. Die Kulturgenossenschaft, eine bunte, dabei zielgerichtete Bürgerinitiative, will es nun zum ersten Mal für alle öffnen – inmitten eines lebendigen Stadtquartiers, das seine militärische Vergangenheit nicht verleugnet, aber auf kreative Weise überwindet.

Vorausschauende Planung oder glücklicher Zufall: Oldenburg bleibt unzerstört

Es gibt viele Geschichten über das Kriegsende in Oldenburg. Sicher hat auch das zuletzt besonnene Verhalten ziviler wie militärischer Verantwortlicher auf deutscher Seite dazu beigetragen, dass Oldenburg weitgehend unzerstört an die Alliierten übergeben wurde, während einige Tage vorher der Kampf um Edewecht noch einige hundert Todesopfer gefordert hatte.

Allerdings hat es auch in Oldenburg kurz vor Kriegsende noch willkürliche Hinrichtungen angeblicher Deserteure gegeben. Vermutlich waren die Opfer weitsichtige Menschen, die die Sinnlosigkeit eines weiteren Kampfes sahen und das auch offen aussprachen.

Entscheidend aber war wohl die langfristige Planung der britischen Streitkräfte, die einen der größten Garnisonsstandorte in Deutschland mit seiner Infrastruktur erhalten wollten, um mit ihrer Besatzungarmee dort zu wohnen. Eine gute Portion Glück und ein unbeirrbarer britischer Offizier gehörten allerdings auch dazu. Davon unten mehr.

Die NWZ schildert zum 50. Jahrestag des Kriegsendes die Ereignisse so:

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„Über intakte Fernsprechleitungen meldet sich an diesem Abend ein kanadischer Offizier bei Heinrich Köhnke, dem Kommandeur der Oldenburger Schutzpolizei: ‚Mein Kommandeur, dem bekannt ist, dass sich in Oldenburg zahlreiche Lazarette befinden und dass die Stadt vom Luftkrieg bisher nur wenig betroffen wurde, möchte diese schöne Stadt auch ferner schonen und daher wissen, ob sie verteidigt werden soll oder nicht?’ Köhnke informiert Oberbürgermeister Rabeling, der den Abzug deutscher Truppen bestätigt.

Die ersten Kanadier marschieren von Wüsting und Osternburg in die Stadt ein und sind erstaunt, keinen Widerstand zu finden. Einen ‚Nibelungenkampf’ um die Gauhauptstadt gibt es nicht. Am Morgen des 3. Mai übergibt Oberbürgermeister Rabeling den Alliierten die Stadt. Der Artilleriebeschuss auf und über Oldenburg hört auf. Am 5. Mai kapituliert die deutsche Nordwest-Armee.“

NWZ vom 29. April 1995 mit einem Foto von der Siegesparade der Kanadier in Oldenburg

Vorher hatten sich die Nazigrößen der Stadt, zum Teil in Verkleidung, aus dem Staub gemacht, die Wehrmacht hatte sich nach Norden in den Raum Rastede/Nethen zurückgezogen, ohne zivile Stellen zu informieren – der Oberbürgermeister musste städtische Beamte in die Kasernen schicken, um sich zu überzeugen, dass diese leer waren.

Warum Oldenburg nicht schon früher angegriffen und wie andere deutsche Städte in Schutt und Asche gelegt wurde, können wir der bereits zitierte „Offizielle Geschichte der kanadischen Armee“ entnehmen (vgl. Stacey, insbesondere S. 558-559 – Quelle in englischer Sprache siehe unten):

Langfristige Planungen für die Besatzungszeit, die den Erhalt der Infrastruktur für die Besatzungstruppen in den Vordergrund stellten und kurzfristige Überlegungen für ein schnelles Ende des Krieges trafen in den letzten Kriegswochen bei den alliierten Streitkräften immer wieder aufeinander. Dazu gab es Spannungen zwischen den verschiedenen Befehlsebenen und Waffengattungen (Oberkommando der Alliierten in US-Hand, Air Force britisch, Landstreitkräfte in den östlichen Niederlanden und in Nordwestdeutschland kanadisch).

Das Oberkommando der Alliierten unter dem späteren US-Präsidenten Eisenhower hatte die Schonung der deutschen Kasernen angeordnet, da sie für die Besatzungstruppen als Wohnmöglichkeiten gebraucht wurden. Die Kanadier hatten die Schonung der Häfen angeordnet, weil diese ebenfalls in der Besatzungszeit gebraucht wurden.

Die britische Air Force war stets auf ihre Eigenständigkeit bedacht und hat den Fliegerhorst in Oldenburg ihrerseits nicht angegriffen, vermutlich weil sie ihn später selber nutzen wollte – was auch so geschah. Außerdem hatten die Briten ohnehin die Flächenbombardements Anfang April eingestellt – alles immer unter dem Vorbehalt, dass nicht aktuelle Entwicklungen Ausnahmen nötig machten.

Auf diese Gemengelage traf die Anforderung eines Angriffs mit schweren Bombern auf Oldenburg durch den kanadischen General Simonds am 14. April 1945, der mit seinen Bodentruppen am Küstenkanal nicht wie gewünscht vorwärts kam. Außer einer allgemeinen Schwächung der deutschen Position ist dafür aus der kanadischen Dokumentation keine militärische Notwendigkeit zu ersehen.

Die Anforderung geht auf den langen Dienstweg der Land- und Luftstreitkäfte, wird im Prinzip gebilligt, jedoch zu einem Angriff mit mittleren Bombern herabgestuft. Als diese schließlich am 17. April in der Luft sind, beordert der britische Air Marshall Coningham sie zurück, weil er den langfristigen Planungen zum Erhalt der Kasernen Priorität einräumt – was die Kandier als Fehler bezeichnen, da Ausnahmen möglich waren. Nach Protesten der Landstreitkräfte gibt es schließlich einige kleinere Luftangriffe auf Ziele in Oldenburg – der große Angriff bleibt der Stadt jedoch erspart.

Glück oder langfristige Planung? Wohl beides. Jedenfalls hat die Stadt viel von ihrem besonderen Charme und ihrer Entwicklung nach dem Krieg diesem Gang der Dinge und dem britischen Offizier Sir Arthur Coningham (Bild unten in der Dokumentation) zu verdanken. Sie war bis 1958 Standort britischer Streitkräfte und nahm mit ihren 80.000 Einwohnern etwa 40.000 Flüchtlinge und Vertriebene auf: Eine besondere Herausforderung für die Stadt, der die Zerstörung erspart geblieben war.

Dass die Briten hier 1954 eines der größten und am besten ausgestatteten “Globe Theatres“ in Deutschland gebaut haben, geht letztlich auf diese Weichenstellung in den letzten Kriegstagen zurück. Offensichtlich haben sie seinerzeit noch nicht mit einem Abzug bis zum Jahr 1958 gerechnet. Die Gründung der Bundeswehr, die dann ihre Aufgaben übernommen hat, fällt erst in das Jahr 1955.

Kanadische Quellen zum Kriegsende in Oldenburg

Zum Abschuss stelle ich hier noch einige Zitate aus dem angegeben Werk zur Verfügung, die die kanadische Sicht wiedergeben. Das Buch steht als pdf-Datei im Internet zur Verfügung | Library and Archives Canada

April 1945: Die für Oldenburg entscheidenden Tage

The city of Oldenburg, an important focus of road and rail communications, seemed likely to be a vital factor in the German defence of the line of the Kusten Canal [Küstenkanal] covering the Emden—Wilhelmshaven peninsula. On 14 April General Simonds [Kommandeur der im Oldenburger Raum operierenden kanadischen Streitkräfte] asked Army Headquarters to arrange an attack on Oldenburg by heavy bombers.

This was discussed and “agreed in principle” at Army’s joint conference with H.Q. [Head Quarters – Hauptquartier] No. 84 Group R.A.F. [Royal Air Force – britische Luftwaffe] that evening, and the request was passed on, in accordance with established practice, through army channels to H.Q. 21st Army Group [Heeresgruppe, die vor allem aus britischen und kanadischen Verbänden bestand, zu denen auch die 1. kanadische Armee gehörte] and through air force channels to the 2nd Tactical Air Force.

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Both higher headquarters accepted the request, though on the basis of an attack by medium rather than heavy bombers. On the 15th, however, the proposed attack was cancelled by agreement between the Group and 2nd T.A.F. without reference to Army. Army Headquarters protested. Further negotiations and considerable wrangling followed.

According to the information reaching Army Headquarters, on the morning of 17 April Air Marshal Coningham, commanding 2nd T.A.F., cancelled a medium attack on Oldenburg after the planes were actually in the air, the reason being his belief that SHAEF [Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force, dt. „Oberstes Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte“ – unter General Eisenhower] had forbidden attacks on barracks in Germany because they would be required for accommodation for Allied troops. This belief, when challenged by H.Q. 21st Army Group, turned out to be mistaken.*

*The British Chiefs of Staff had ordered Bomber Command to discontinue area bombing on 6 April, recognizing however that area attacks might be justified in order “to assist the advance of the Allied armies into Germany or to have the most immediate effect on the enemy's ability to continue armed resistance”.

Later in the day 60 Mitchells did attack barracks in Oldenburg with good results [in einem Gebäude der Donnerschweekaserne sterben 13 Kinder und zwei Erwachsene], and another attack on the same scale was made on 18 April, 118 tons being dropped. Staff officers at Headquarters First Canadian Army considered this incident evidence of the unsatisfactory nature of the existing machinery for obtaining air support, especially as three days elapsed between the request for the attack and the time when it was actually delivered (S. 558-559).

Foto: Air Marshal Sir Arthur Coningham [* 1895 in Brisbane/Australien, † 1948 (vermisst) Bermuda Dreieck], der einen größeren Luftangriff auf Oldenburg gestoppt hat, als die Maschinen bereits in der Luft waren – aufgenommen in Italien, Januar 1944 | Imperial War Museum [Großbritannien], gemeinfrei

Auch die Häfen sollen so wenig wie möglich beschädigt werden

It was now apparent that General Simonds’ [Kommandeur des 2. Korps der 1. kanadischen Armee] final operations would be mainly confined to the Emden-Wilhelmshaven promontory. The ports themselves were naturally the principal objectives, and Headquarters First Canadian Army had already instructed the 2nd Corps to ensure that they were damaged as little as possible. Nevertheless, measures to safeguard them were to be taken “without prejudice to any operations in progress” (S. 563).

Der kanadische Blick auf das Kriegsende in Oldenburg

Oldenburg, a pleasant town with a population (1939) of 79,000, dates from the 12th century. Fortunately, our expectation that it would be “defended as a bastion to the full extent of the resources available to the enemy” was not fulfilled.

On 28 April General Matthews [Divisions-Kommandeur] was instructed to advance towards Oldenburg with all three brigades. While the 5th continued to exploit north of Hude, the 4th and 6th approached Oldenburg from the east and south respectively. The weather was cloudy and cool with much rain. Our troops advanced steadily against light opposition. Propaganda leaflets, printed in Delmenhorst, were fired into Oldenburg urging the futility of further resistance. The end came as something of an anti-climax. On 3 May the 4th and 6th Brigades entered the city only to find that the defenders had fled (S. 603).

Zum Schluss: Einschätzung der Lage in Europa aus kanadischer Sicht

In the final days of April 1945 the military operations in Europe were approaching an inevitable end and the Allied leaders were concerned with international problems of the future.

There was growing difficulty between the Western powers and Russia over the future of Poland, and little unanimity between Britain and the United States on the political aspects of the campaign in Germany. Mr. Churchill was still anxious to carry the Allied advance as far, to the east as possible, thereby limiting the postwar influence of a suspicious and possibly hostile Russia. On the other hand President Truman, following the policies of his predecessor, was reluctant to take any action which might prejudice future relations with the Soviet Union. In the field, the Germans continued to fight obstinately, but the power of the Wehrmacht had been broken. Beleaguered in Berlin, Hitler was nearing the end of his extraordinary and malign career (S. 588).

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